Fixing others: die Probleme anderer Leute lösen…

Das mit dem „fixing others“ – der ACA-Gewohnheit, sich der Probleme anderer Leute anzunehmen – ist schon eine merkwürdige Sache. Erst kürzlich ist mir klar geworden, wie sehr dieses Muster Teil meines Verhaltens ist.

Eigentlich war es ein sehr kleiner Vorfall, bei dem es schließlich „klick“ machte: Ich traf eine Freundin. Diese Freundin hat ein Zahnproblem. Und sie lebt seit etwa vier Jahren mit diesem Problem, genauer: mit einem Provisorium. Das liegt zum Teil daran, dass sie nicht viel Geld ausgeben möchte um die Sache „ordentlich“ reparieren zu lassen, zum anderen aber auch daran, dass sie wirklich Angst vor Zahnärzten hat. Und der einzige Zahnarzt, dem sie vertraut, ist extrem teuer…

Und diese Woche zerbrach ihr Provisorium…

Vor vier Jahren habe ich stundenlang Lösungen für sie recherchiert, z.B. wo man Zähne kostengünstig reparieren lassen kann. Sie tat nichts davon. Als ich dieser Tage von ihrem Missgeschick hörte, wusste ich deshalb auch nicht, was ich ihr noch sagen sollte. Ich hatte alle meine Joker bereits ausgespielt.

Ehrlich gesagt: Ich war genervt, als ich von ihrem Missgeschick hörte. Ich fühlte mich so… hilflos. Ich konnte ihr Problem damals nicht lösen und jetzt noch viel weniger. Was sollte ich ihr sagen?

Eine Sache, die ich kürzlich aus verschiedenen Quellen gehört hatte, war, dass „einfach nur zuhören“, „einfach nur da sein“, sehr hilfreich und beruhigend für Menschen ist, die sich unwohl fühlen. Ich nahm diese Information zur Kenntnis, aber es fiel mir schwer, ganz zu begreifen, warum „einfach nur zuhören“ für Menschen in Not hilfreich oder von irgend einem besonderem Nutzen sein könnte. Ich bin ein fantastischer Problemlöser – ich finde Lösungen für fast alles. Ist „das Problem lösen“ nicht viel besser als „nur zuhören“?

Ja. Und dann traf ich eben diese Freundin, deren Problem ich nicht lösen konnte… und anstatt ihr „zuzuhören“ wandte ich mich ab, genervt und… beschämt…

All das hat mich nachdenklich gemacht. „Ich bin kein guter Zuhörer“ kam mir in den Sinn. Warum ist das eigentlich so? Ich bin ein hochsensibler ACA (alle ACAs sind hochsensibel, es ist unser Charakterzug, unser Überlebensmechanismus). Ich kann quasi die Gedanken anderer Menschen lesen. Warum kann ich nicht zuhören?

Und dann habe ich es plötzlich begriffen: Einem anderen Menschen zuzuhören braucht Zeit. Man muss eine ganze Weile zuhören, und dann muss man die gehörten Informationen sehr, sehr sorgfältig zu einem sehr vorläufigen Gesamtbild der Situation zusammenfügen. Dann stellt man vielleicht noch einige weitere Fragen, um das Bild zu klarer zu machen… dann hört man weiter zu, hört zu, und hört noch weiter zu, und dann fragt man wieder ein bisschen nach und hört weiter zu…

Und was habe ich stattdessen all die Jahre getan? Ich stürzte mich auf die Informationen, die ich innerhalb der ersten 30 Sekunden erhielt und machte mir eine ziemlich grobe Skizze der Situation. Die reichte mir dann aber bereits völlig, um sofort in den Action-Modus zu kommen und eine Lösung zu erarbeiten. Eine Lösung, die ich der betreffenden Person dann postwendend an den Kopf warf, aber die, – ehrlich gesagt – nur sehr selten das Problem wirklich „löste“. Alles sehr frustrierend.

Vielleicht ist es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Beispielsweise ganz generell vom „Problemlösungs-Modus“ in den „Zuhörmodus“ wechseln.

Allein der Gedanke fühlt sich gut an… 🙂